Werbung
FrontpageFinanzmärkteDossiersEnglish WindowNews TickerEcho der ZeitArchivServiceAnzeigenLeserdienst HilfeNZZ Sites Die aktuelle Neue Zürcher Zeitung

Hinweis: Leserbefragung

Werbung

Freitag, 11. Februar 2000
Tagesausgabe | Monatsarchiv | Suchen in Tagesausgabe | Suchen im Monatsarchiv
 

PDF-Version | Postscript-Version | RTF-Version

NZZ Monatsarchiv

Neue Zürcher Zeitung LEBENSART Samstag, 29.01.2000 Nr.24   135

Zusatzinformation: Textkasten: Kleine Hitliste unverständlicher Gebrauchsanweisungen

«Weschseln si dan Brtterie» - Wenn Gebrauchsanweisungen in Rätseln sprechen

Gebrauchsanweisungen hätten eigentlich eine klare Funktion: Sie sollten einem helfen, ein neuerstandenes Gerät in Gebrauch zu nehmen, es funktionstüchtig zu machen. Oft jedoch sind sie dermassen mangelhaft verfasst oder übersetzt, dass es mit der Verständlichkeit nicht weit her ist. Der Sprachwissenschafter Wolf-Andreas Liebert kämpft mit seinem Team gegen die sprachlichen Wirren in Gebrauchsanweisungen und hilft verzweifelten Konsumenten über eine Hotline, auch kniffligste Rätsel zu lösen. Im Zweifelsfall fragt er auch direkt beim Hersteller nach.

Gab es für Sie einen persönlichen Anstoss, sich mit den oft unklar formulierten Bedienungsanleitungen zu befassen? Eine verzweifelte Suche nach dem Show-View-Phänomen des Videorecorders etwa oder sich ständig verfangende Papierrollen im Faxgerät?

Liebert: Nein, dies blieb mir zum Glück erspart. Als Sprachwissenschafter beschäftige ich mich von Berufs wegen damit, wie komplizierte technische Sachverhalte einfach ausgedrückt werden können. Mit meinen Linguistik-Studenten an der Uni Trier kamen wir auf die Idee, uns von Leuten Gebrauchsanweisungen schicken zu lassen, die sie nicht verstanden haben. Berge von Post sind dann bei uns eingetroffen.

Beipackzettel der Pharmaindustrie zeigen ja, dass Firmen sich durchaus gut verständlich ausdrücken können. Wirken hier die wohl sonst zu erwartenden Risiken und Nebenwirkungen als Antrieb, kundenfreundlicher zu formulieren?

Liebert: Sicher. Im medizinischen Bereich kommen Unternehmen manchmal von selbst zu uns, fragen, ob wir beim Formulieren der Beipackzettel helfen können. Jedoch gibt es selbst in dieser Branche einen feinen Unterschied, sind die Anweisungen freiverkäuflicher Medikamente verständlicher geschrieben als die rezeptpflichtigen - klar, erstere haben den Druck, sich besser verkaufen zu müssen. Je intensiver wir uns mit der sprachlichen Klarheit und dem logischen Aufbau von Gebrauchsanweisungen befassten, desto deutlicher wurde, dass viele beim besten Willen nicht zu begreifen sind. Deshalb richteten wir vor zwei Jahren unsere Hotline ein.

In welcher Gemütslage sind die Anrufer?

Liebert: Es gibt jene, die einfach nachfragen wollen, weil sie eine Passage nicht recht verstanden haben. Es gibt aber auch die, die völlig wütend und entnervt bei uns landen. Solche, die das ganze Wochenende vergeblich versucht haben, nach Bauanleitung einen raffinierten Badezimmerschrank zusammenzusetzen oder auch nach dem hundertsten Versuch nicht den Navigator fürs Segelboot in Gang bekamen. Manch einer hat auch schon juristische Schritte eingeleitet und möchte sich nun Rat holen. So etwa jemand, der zwei Magnetfeldtherapie-Decken für insgesamt 5000 DM kaufte, bei denen aus der Anleitung später nicht klar wurde, wie man die waschen kann.

Wie können Sie aus der Ferne helfen?

Liebert: Das Wichtigste - wir machen jedem noch so Verzweifelten klar, dass nicht er als Kunde schuld ist, wenn er die Gebrauchsanweisung nicht versteht, sondern der Hersteller. Die meisten suchen die Schuld automatisch bei sich, was wirklich Quatsch ist. Wir fragen nach, wo der Text schlecht oder fehlerhaft war. Wenn wir am Telefon nicht sofort das Problem lösen können, lassen wir uns die Anleitung schicken, setzen uns dann mit den Firmen in Verbindung und schreiben nach Absprache mit ihnen den Text um. Ausserdem informieren wir die Leute über ihr Rückgaberecht, denn eine unverständliche Gebrauchsanweisung ist auch ein Produktmangel. Wenn ich die Anleitung für die Waschmaschine nicht verstehe, kann ich sie nicht in Betrieb nehmen, also funktioniert sie für mich nicht.

Wie viele Anrufe bekommen Sie pro Tag?

Liebert: Unterschiedlich, im Durchschnitt sind es etwa zehn Hilferufe aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Luxemburg. Anfang des Jahres, nach der weihnachtlichen Geschenkeflut, sind es weitaus mehr.

Welches sind denn die Hauptsünden?

Liebert: Die Firmen sparen oft an der Herstellung von Gebrauchsanweisungen. Entweder schreiben Experten, die blind voraussetzen, dass man ihr Fachwissen mit der Muttermilch eingeflösst bekam, oder es existiert ein derartiges Buchstabenkauderwelsch, weil stümperhaft übersetzt wurde. Da sind Leute am Werk, die zwar irgendwie Deutsch sprechen, aber eben nicht perfekt. So entsteht eben eine Aufforderung wie: «Weschseln si dan Brtterie!» Oder es werden oft Fachbegriffe nicht erklärt. Nicht jeder weiss, was ein Scart-Kabel ist oder ein Timer - warum redet man nicht einfach von der Zeitschaltuhr? Erschwert wird das Verstehen auch durch eine Häufung von Substantiven und Schachtelsätzen: «Einstellvorgangsende durch Schliessen Klappe K (dabei Ablauf der Abspeicherungsautomatik).»

Wie würden Sie das ausdrücken?

Liebert: Indem ich es entwirre: «Schliessen Sie die Klappe K. Das Gerät schaltet sich aus und speichert dabei automatisch alle von ihnen vorgenommenen Einstellungen.»

Warum schreibt der Hersteller das nicht so?

Liebert: Viele Experten denken, je komplizierter sie sich ausdrücken, desto besser zeigen sie, wieviel sie wissen. Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass man in Gebrauchsanweisungen kaum persönlich angeredet wird? Wohl auf der ersten Seite, da gibt es eine euphorische «Beglückwünschung» zum Kauf, dann jedoch stürzt der Text ins Unpersönliche ab.

Woher weiss man denn, welche Kenntnisse der Kunde hat, um die Anweisung verständlich zu schreiben?

Liebert: Man muss die Zielgruppe kennen. Bei einem CD-Player kann man sicher einen anderen Käufertyp voraussetzen als bei der Küchenmaschine. Und man muss jede Gebrauchsanweisung so erproben wie das Produkt selbst. Wir lassen unsere Tester laut mitdenken, wenn sie ein Gerät nach Anweisungen bedienen, und erfahren somit, wo man stockt und die Leute aussteigen würden.

Manche Firmen versuchen, sich mit Zeichnungen verständlich zu machen. Ist dies die bessere Alternative?

Liebert: Ideal wäre beides in der Kombination. Zeichnungen sind eindeutig, können aber zeitliche oder kausale Vorgänge oft schlecht beschreiben und nicht begründen, warum bestimmte Anleitungen so und nicht anders befolgt werden müssen.

Mit welchen Geräten gibt es den meisten Ärger?

Liebert: Führend sind Codierungen bei Videorecordern, Programmtabellen bei Waschmaschinen, Batteriewechsel bei Uhren, Einstellungen von Autoradios. Dann gibt es auch widersprüchliche Einzelangaben. Etwa ob die Crêpe-Pfanne nun in den Teig oder der Teig auf die Pfanne zu bringen ist. Oder auf der einen Seite steht «Wasser auf den Grill geben», auf der nächsten dann, dass auf keinen Fall Wasser dazugegeben werden darf. Auch kam jemand mit der Anleitung für die Zeitschaltuhr einer Jalousie nicht zurecht, so dass er am Tag immer im Dunkeln sass, während nachts die Rolläden hochgingen. Da haben wir schnell Erste Hilfe geleistet.

Wie sollte die Gebrauchsanweisung der Zukunft aussehen?

Liebert: Die Diskrepanz zwischen dem hervorragenden Design des Produktes und dem unansehnlichen Pamphlet von Anleitung müsste überwunden werden. Die Gebrauchsanweisungen sollten leicht verständlich und gut aufgemacht sein, so dass der Käufer sie mit Genuss lesen möchte. Sie sollten mehr einen spielerischen Aspekt haben, denn so prägen sich Fakten besser ein. Wir haben mal einen Versuch mit einer Bedienungsanleitung für ein Autoradio gemacht, indem wir die Gebrauchsanweisung als Geschichte verpackten. In einem Experiment haben wir dann Studenten in zwei Gruppen geteilt, die einen sollten mit der herkömmlichen Bedienungsanleitung das Autoradio in Betrieb nehmen, die anderen mit der kleinen literarischen Story. Letztere Gruppe begriff nicht nur schneller die Programmierung, sondern konnte sie auch über längere Zeit besser behalten.

Protokoll: Birgit Weidt

Die Hotline hat die Nummer (0049) 651/201-2332, Fax (0049) 651/201-3909. Sprechzeiten mittwochs von 9.00 Uhr bis 11.00 Uhr. Der Anrufbeantworter ist rund um die Uhr eingeschaltet, bei akuten Problemen rufen die Mitarbeiter sofort zurück.

Tagesausgabe | Monatsarchiv | Suchen in Tagesausgabe | Suchen im Monatsarchiv
 

Seitenanfang Frontpage
Impressum Webmaster Werbung

© AG für die Neue Zürcher Zeitung NZZ 2000